Der kurzfristig verschobene Start in die Abitur-Klausuren in NRW stellt die Prüflinge auf eine harte Probe, sie müssen in einer ohnehin aufregenden Zeit Ruhe bewahren und sich auf Gelerntes konzentrieren können. Dass die ersten Klausuren an IT-Problemen scheiterten, macht deutlich, dass Schul-IT immer noch nicht richtig gedacht wird. Die Panne ist daher nur die Spitze des Eisberges einer nicht zu Ende gedachten Schul-IT.

Die technische Panne, die zur Absage der ersten Abi-Klausuren geführt hat, war ein übler Schock für die betroffenen Schüler. Sie haben sich vorbereitet, sind nervös und haben einen Plan, wann sie welche Themen noch ein letztes Mal durchgehen – und dieser Plan wird nun ausgerechnet von der Schulverwaltung selbst über den Haufen geworfen. In den Familien ist der Druck dieser heiklen Lebensphase spürbar. „Für die Schüler ist es ein Schlag ins Gesicht, am Abend kurz vor der ersten Abitur-Klausur zu erfahren, dass sie verschoben wurde“, meint Dr. Oliver Ziehm, Vorsitzender der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW: „Wir begrüßen aber die Entschuldigung der Ministerin und fordern gleichzeitig, dass vom MSB verursachte Chaos bei der anschließenden Notengebung der Situation angemessen zu berücksichtigen.“

Die Erstellung von landesweit zentralen Prüfungsaufgaben ist ein hoch komplexer und zeitaufwendiger Prozess, bei der zahlreiche Fachkräfte auf KMK, Landes- und Schulebene involviert sind. Dass dieser komplexe Prozess nun an einer IT überforderten mit einem offenbar unzureichend getesteten System scheitert, macht deutlich, dass Schul-IT in NRW trotz Corona immer noch nicht richtig gedacht wird.

Die Schul-IT des Landes ist nach wie vor primär darauf ausgerichtet, die Schulen mit kleinen Datenmengen in einzelnen Prozessen zu versorgen und gegebenenfalls schrittweise einige Verbesserungen herbeizuführen. Somit wird sie geführt wie ein schlecht organisiertes mittelständisches Unternehmen. Heutzutage sind die Anforderungen aber ganz andere: Im Zweifel müssen 2,5 Millionen Schüler gleichzeitig mit funktionierenden Anwendungen versorgt werden, was man sich hierzulande kaum vorstellen mag. Insofern ist das Chaos, das wir gerade gesehen haben, kein ärgerlicher Zufall einer unglücklichen Verknüpfung von Umständen, sondern nur die Spitze des Eisberges einer unterdimensionierten und nicht zu Ende gedachten Schul-IT.

(Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir das generische Maskulinum, selbstverständlich sind alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen.)